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Als Leiter des Astronomischen Instituts von Wien dreht sich Martys Leben um die Beschäftigung mit den Weiten des Universums. Die wirkliche Welt schiebt er darüber gerne beiseite, dass seine Frau Marlene bereits insgeheim von einem Leben auf Bali träumt und seine Tochter an ihrem Frausein zweifelt, bleibt ihm verborgen. Nach einem Kongress trifft er auf den Psychoanalytiker Steindorfer, der ihn fragt, warum der Mensch eigentlich mehr über ferne Planeten wisse als über das eigene Bewusstsein, und gibt ihm daraufhin sein Manuskript. Nachdem Marlene nach Bali und Stella an den Atlantik gereist…mehr

Produktbeschreibung
Als Leiter des Astronomischen Instituts von Wien dreht sich Martys Leben um die Beschäftigung mit den Weiten des Universums. Die wirkliche Welt schiebt er darüber gerne beiseite, dass seine Frau Marlene bereits insgeheim von einem Leben auf Bali träumt und seine Tochter an ihrem Frausein zweifelt, bleibt ihm verborgen. Nach einem Kongress trifft er auf den Psychoanalytiker Steindorfer, der ihn fragt, warum der Mensch eigentlich mehr über ferne Planeten wisse als über das eigene Bewusstsein, und gibt ihm daraufhin sein Manuskript. Nachdem Marlene nach Bali und Stella an den Atlantik gereist sind, findet Marty im Zimmer seiner Tochter eine Männerperücke. Wie viel weiß er wirklich über seine Frau und seine Tochter? Er erinnert sich an Steindorfer und beginnt, dessen Manuskript zu lesen, das ihn völlig verstört. Er ahnt nun, dass er über seine Sterne sein Leben vergessen hat. In einem letzten Aufbäumen beschließt er, nach Bali zu fliegen.
Autorenporträt
Zoë Jenny wurde 1974 in Basel geboren. Ihr erster Roman »Das Blütenstaubzimmer« (FVA 1997) wurde in 27 Sprachen übersetzt und zum weltweiten Bestseller. Die Frankfurter Verlagsanstalt veröffentlichte des Weiteren ihre Romane »Der Ruf des Muschelhorns« (2000) und »Das Portrait« (2007), sowie ihre Erzählungen »Spätestens morgen« (2013). Zoë Jenny lebt heute in der Nähe von Wien.
Rezensionen
Rezensent Oliver Jungen lässt kein gutes Haar an Zoe Jennys neuem Roman. Der Autorin will es einfach nicht gelingen an die Stärke ihres Debüts anzuknüpfen, meint er. Stattdessen liefert sie mit der Geschichte um einen realitätsfremden Astrophysiker, der zu spät merkt, dass sich seine Beziehungen auflösen, dann aber Hesse-mäßig Selbstfindung betreibt, einen eher klischeehaften, ohne Drive und originelle Bildlichkeit erzählten Text mit spürbar ausgedachter, "aktualitätsbeflissener" Handlung nach "Baukastenprinzip", wettert Jungen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.09.2022

Quadratur des Zeitgeists

Ein neuer Steppenwolf trifft auf das alte Urknalltrauma: Zoë Jenny verliert sich im interstellaren Nichts.

Dass die Voyager-Sonde nach dem letzten Funkkontakt "noch Milliarden von Jahren einsam durch die Tiefen des Alls driften" wird "wie durch ein ewiges Grab": Ist das für pathologische Einzelgänger nun eher Trost oder Schreckensvorstellung? Dass das hier ambivalent bleibt, gehört zu den Stärken von Zoë Jennys kosmisch-melancholischer Parabel über einen alternden Mann, der sich der Fliehkräfte in seinem sozial ohnehin nur minimal ausgeprägten Leben bewusst wird, ohne etwas gegen sie aufbieten zu können. Als Leiter des Wiener Astronomischen Instituts weiß er über die Dinge am bestirnten Himmel weit besser Bescheid als über das, was um ihn herum geschieht. Leicht klischeehaft erfüllt Marty sämtliche Charakteristika des realitätsfremden Professors. Vor allem Frauen, darunter seine lebenshungrige Gattin Marlene, die mit ihren Geschlechtsmerkmalen hadernde Tochter Stella oder die junge, ambitionierte Kollegin Theresa, stellen für ihn so etwas wie Exoplaneten dar, allenfalls umrissartig aus der Ferne zu beobachten. Natürlich ist der Protagonist auch im Bett ein weißer Zwerg. Er gehört zu jenen Mathematikern, für die zwischen zwei Schenkeln nur Platz für eine Hypotenuse ist. "Schon als Jugendlicher war ihm Sexualität eher lästig gewesen."

Doch auch wenn die Hauptfigur die meisten der andrängenden irdischen Themen einfach übersieht und lieber verdüstert den letzten Fragen zwischen Urknall, Künstlicher Intelligenz und schwarzen Löchern nachgrübelt, sind sie für die Leser doch vorhanden. Und je genauer sie ausbuchstabiert werden, desto unorigineller wirken sie, den leider blutarm bleibenden Figuren konzeptionell mehr übergestülpt als aus ihnen heraus entwickelt. Die coole Marlene etwa erregt sich plötzlich mit Verweis auf die alte Waldsterben-These sehr über die Klima-"Hysterie"; Stella hat nicht nur ihr Transgender-Coming-out, sondern macht sich auch für das Veganertum stark; ihre Freundin Rosa verfasst Chat-Romane; Kollege Thomas arbeitet an einer Studie zur Lichtverschmutzung, und auf der Straße demonstrieren die Fridays-for-Future-Jugendlichen. Interessant erzählt ist nichts davon. Es folgt auch nichts aus dieser Quadratur des Zeitgeists außer der wiederholten Bestätigung, dass der Held des Buches stets sofort auf die weitestmögliche Umlaufbahn zu gelangen sucht. Auch mit dem deutschen Nachbarn, einem Altnazi, der seine Einsamkeit nach dem Tod der Ehefrau geradezu (und nicht ganz glaubhaft) zelebriert, möchte der Himmelsprofessor nichts zu tun haben.

Marlene, die auch von einer inneren Unruhe heimgesucht wird, weiß indes dagegen anzugehen, einmal mit Therapiesitzungen bei einem Psychologen - für Marty, den abstrakten Logiker, völlig unverständlich - und dann mit einer Reise zu ihrer Freundin Claire nach Bali ("geologisch eine der gefährlichsten Gegenden der Erde"). Auch Stella geht auf große Selbstfindungs-Fahrt. Allmählich dämmert es Marty, dass um ihn her tatsächlich alles auseinanderstiebt, weg von ihm, einem Planeten, dem die Monde entschwinden. Und je weniger ihn über diese Erkenntnis die Begeisterung für das kosmische Geschehen hinwegträgt, desto mehr wird eine sehr klassisch anmutende Midlife-Depression kenntlich. Diese - wenigstens ansatzweise - zu überkommen, braucht es starke Stimulanzien. Dafür weitet sich die Erzählung sozusagen ins Hermann-Hesse-Universum. Wie "Steppenwolf" Harry Haller durchlebt Marty mehrere Stadien der Erweckung des Selbst inklusive einer androgynen Liebeslehrerin. Es handelt sich hier freilich eher um Erkenntnisse als um Erlebnisse.

Vor allem trifft der Held auf einen anscheinend seelenverwandten, bald wie vom Erdboden verschluckten Psychoanalytiker, der ihm ein Manuskript zum Redigat überreicht, das die große Auflösung aller scheinbaren Gewissheiten zum Thema hat und für den Empfänger, den einzigen womöglich ("Es war, als spreche er jetzt durch das Manuskript zu ihm persönlich"), zum Augenöffner wird: Gegen die erschreckende Ignoranz des Universums nämlich macht sich in diesem Text eine Gegenkraft bemerkbar, das Ich, das der Auflösung trotzt. Jedes Ich eine Sonde im ewigen Grab. Die Erweckung setzt sich fort in Traumsequenzen, in denen der Physiker Karl Schwarzschild dem Träumenden rät: "Sie sollten sich nicht in Schwarzen Löchern verstecken." Nur innerhalb des Ereignishorizonts finde das Leben statt. Schließlich bricht der Held ebenfalls nach Bali auf, was ihn unter anderem - und auch nicht ganz neu - in hinduistische Tempel führt. Obwohl er sich gegen eine Reinigungszeremonie sperrt, geschieht in diesem Magischen Theater offenbar genau das.

Zoë Jenny hat sich in Fragen der Astrophysik eingearbeitet, was zu aparten Betrachtungen über die Grenzen des Wissens führt, allerdings auch zu vielen naheliegenden Metaphern und Vergleichen: "Facebook kam ihm vor wie eine Art Teleskop, mit dem man Menschen suchte." So einnehmend manche Formulierung wirkt ("Bei der Ausdehnung des Universums ertönte nichts als Rauschen, wie das Rauschen eines Radios auf Sendersuche. Es materialisiert sich so einiges im Laufe der Zeit"), gelingt es der Schweizer Autorin mit "Der verschwundene Mond" erneut nicht, an das erzählerische Format ihres Debüts "Das Blütenstaubzimmer" anzuschließen. Nicht nur das quasi heisenbergsche Finale fällt arg schlicht aus angesichts des unablässig evozierten Unheils: die Unschärfe von Impulsen, Erinnerungen, Geschlecht zu akzeptieren, um dafür seinen Ort im Hier und Jetzt, das Glück der Nähe, zu finden. Zu ausgedacht wirkt die Handlung im Detail, zu abgegriffen (die Sache mit dem Manuskript), zu öde und zugleich zu zufallsbeladen und zu aktualitätsbeflissen. Handwerklich ist es eine gern ins Sentenzenhafte neigende, unmotiviert mit Lexikonwissen angefüllte Erzählung nach Baukastenprinzip, die auch durch ihren Vorbeiflug an der Lichtjahre entfernten Hesse-Galaxie nicht wirklich an Anziehungskraft gewinnt. Ein alter Mann ist kein D-Zug, sagte man früher. Zoë Jenny zeigt: Noch viel weniger ist er Rakete. Was der Mond dafür kann, bleibt dunkel. OLIVER JUNGEN

Zoë Jenny: "Der verschwundene Mond". Roman.

Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2022. 128 S., geb., 20,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Oliver Jungen lässt kein gutes Haar an Zoe Jennys neuem Roman. Der Autorin will es einfach nicht gelingen an die Stärke ihres Debüts anzuknüpfen, meint er. Stattdessen liefert sie mit der Geschichte um einen realitätsfremden Astrophysiker, der zu spät merkt, dass sich seine Beziehungen auflösen, dann aber Hesse-mäßig Selbstfindung betreibt, einen eher klischeehaften, ohne Drive und originelle Bildlichkeit erzählten Text mit spürbar ausgedachter, "aktualitätsbeflissener" Handlung nach "Baukastenprinzip", wettert Jungen.

© Perlentaucher Medien GmbH